Mehr Erinnerung, weniger Vergessen: Berlinerinnen und Berliner für Gedenkstättenbesuche im Unterricht

Neue forsa-Befragung ermittelt aktuelles Meinungsbild zu DDR-Aufarbeitung und Erinnerungskultur in Berlin

84 Prozent der Berlinerinnen und Berliner sprechen sich dafür aus, Besuche in Gedenkstätten und an Erinnerungsorten der DDR fest in den Lehrplänen der Schulen zu verankern. Das geht aus einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung hervor, die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH im Auftrag des Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB) durchgeführt hat. 80 Prozent der Befragten ist es darüber hinaus wichtig, die Erinnerung an die politische Verfolgung in der DDR lebendig zu halten. 73 Prozent finden, dass mehr an Opposition und Widerstand erinnert werden sollte.

„Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Menschen in Berlin sich wünschen, auch bei jüngeren Generationen das Wissen über die DDR wachzuhalten“, sagt der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Frank Ebert. „Die Gedenkstätten, Museen und Erinnerungsorte in Berlin leisten hervorragende Arbeit. Gleichzeitig müssen Orte wie der Lernort Keibelstraße und der Campus für Demokratie bekannter gemacht werden. Trotz finanziell angespannter Zeiten ist es wichtig, jetzt nicht am falschen Ende zu sparen.“

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner betont: „Die Studie zeigt, wie unterschiedlich die Erinnerung ist und wo wir in der historischen und politischen Bildung noch stärker ansetzen müssen – und genau deshalb sind es wichtige Erkenntnisse. Die Aufarbeitung der SED-Diktatur ist und bleibt eine dauerhafte Aufgabe für Bildung, Forschung und die öffentliche Diskussion. Sie stärkt unser Bewusstsein für Freiheit und Demokratie.“

Fast alle Berlinerinnen und Berliner haben bereits eine Gedenkstätte, ein Museum oder einen Erinnerungsort mit DDR-Bezug in der Stadt besucht. Nur drei Prozent der Befragten gaben an, noch an keinem derartigen Ort in Berlin gewesen zu sein. Bei der Frage, welche Gedenkstätten, Museen und Erinnerungsorte bereits aufgesucht wurden, zeigt sich ein differenziertes Bild: Den Checkpoint Charlie (76 %), die Eastside Gallery (69 %) und die Gedenkstätte Berliner Mauer (59 %) haben eine Mehrheit der Menschen in Berlin bereits besucht. Orte wie die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen (29 %), das Stasimuseum (19 %), die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde (9 %) oder der Lernort Keibelstraße (2 %) wurden hingegen deutlich seltener aufgesucht.

Befragte, die vor 1990 in der Bundesrepublik oder in West-Berlin gelebt haben, kennen häufiger die touristisch geprägten Orte wie den Checkpoint Charlie und die Eastside Gallery. Personen mit DDR-Hintergrund waren dagegen häufiger in der Gedenkstätte Hohenschönhausen, im Stasimuseum und auf dem Campus für Demokratie.

Die Besuche von Berliner Gedenkstätten und Erinnerungsorten zur DDR hinterlassen bei den meisten Befragten einen nachhaltigen Eindruck. Drei Viertel (75 %) berichten, der Besuch habe sie emotional berührt, und fast ebenso viele (72 %) geben an, dabei neues Faktenwissen gewonnen zu haben.

„Mit der Studie liegt erstmals eine empirische Befragung zur Erinnerungskultur und zur Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit in der Berliner Bevölkerung auf einer breiten Datenbasis vor“, so forsa-Geschäftsführer Dr. Peter Matuschek. „Es wäre zu wünschen, dass eine solche Befragung in Zukunft erneut durchgeführt wird. Denn nur so ließe sich auch langfristig nachverfolgen, wie es um die Erinnerungskultur und die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit in der Stadt bestellt ist, wenn der Fall der Mauer noch länger zurückliegt.“ Für die Untersuchung befragte das Institut insgesamt 1.643 Berlinerinnen und Berliner ab 16 Jahren. Die Auswahl der Befragten erfolgte auf Basis einer Zufallsstichprobe aus dem Berliner Einwohnermelderegister. Die Studie steht auf der Webseite des Berliner Aufarbeitungsbeauftragten zum Download zur Verfügung.

Die Bevölkerungsbefragung ist der dritte Teil einer umfassenden Evaluierung der Aufarbeitung der SED-Diktatur im Land Berlin. Sie basiert auf dem Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin „Aufarbeitung und Folgen der SED-Diktatur evaluieren“ vom 6. Juli 2017. Die beiden ersten Teilstudien zu Maßnahmen für politisch Verfolgte und zum SBZ/DDR-Archivgut in Berlin wurden bereits veröffentlicht.