2020 jährte sich die deutsche Einheit zum 30. Mal. Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte würdigte dieses Jubiläum mit einem Podcast zum turbulenten Umbruchsjahr 1990.
Die BABcast-Reihe „Berlin 1990 – Eine Stadt im Wandel“ erzählt spannende Geschichten aus einer zusammenwachsenden Stadt. In dem Podcast können sich die Hörerinnen und Hörer auf eine spannende Zeitreise in das Jahr der deutschen Einheit begeben. Im Fokus stehen dabei nicht nur die große Politik, sondern vor allem die vielen kleinen Geschichten der Berlinerinnen und Berliner.
Das Team des BABcast spricht mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen über ihre ganz persönlichen Erfahrungen im Jahr der Deutschen Einheit. Zusammen mit Expertinnen und Experten blickt das BABcast-Team zurück auf das Jahr 1990 und nimmt unter anderem die ersten Erfahrungen mit der D-Mark, das Zusammenwachsen der Polizei oder den Umgang mit Neonazis unter die Lupe.
Zu hören gibt es den Podcast nicht nur hier, sondern auch auf Spotify und Apple Podcasts.
Musik: Alexander Köpke und Maximilian Schöne, 2020
In der ersten Folge des BABcast erfahrt ihr etwas mehr über uns und unsere Arbeit – und natürlich über unseren Podcast. Wir arbeiten alle in der Abteilung historisch-politische Bildung beim Berliner Aufarbeitungsbeauftragten, haben aber ganz unterschiedliche Erfahrungshorizonte und Interessen. Ihr könnt hören, wo und wie die Idee zum BABcast geboren wurde und wie wir uns das Ganze in Zukunft vorstellen. Außerdem versorgen wir euch mit ein paar inhaltlichen Ausblicken rund um unser Thema „1990. Berlin im Wandel“. Die Themen sind so vielfältig wie das Jahr 1990: Fußball, Demokratie, Stasi und mehr.
1990 war auch aus der weiblichen Perspektive heraus ein Jahr des Wandels. Zwei Aspekte haben auf unterschiedliche Weise den Alltag der Frauen in Ost und West verändert: das Scheidungsrecht und die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch. Im Frühjahr 1990 zogen zehntausende Demonstrantinnen vor die Parlamente in Berlin und Bonn, um gegen die Übernahme des Abtreibungsparagraphen § 218 zu demonstrieren. Es folgte eine öffentliche und vor allem politische Debatte. Das Thema Scheidung hingegen steht noch weniger im Fokus der Erzählungen. Jana Birthelmer spricht mit der Historikerin und Politologin Dr. Anja Schröter über Scheidungsrecht in der DDR, die Entwicklungen im Jahr 1990 und was sich für Frauen in Ost und West nachhaltig verändert hat.
„Freie Wahlen“ – das war eine der zentralen Forderungen der DDR-Bürgerinnen und - Bürger, die im Herbst 1989 gegen das SED-Regime auf die Straße gingen. In der DDR hatte es zwar regelmäßig Abstimmungen gegeben, doch sie sollten dem SED-Regime lediglich einen demokratischen Anstrich geben. Eine „Wahl“ hatten die DDR-Bürgerinnen und -Bürger nicht. Sie konnten nicht zwischen personellen oder gar politischen Alternativen wählen. Dies änderte sich erst im Frühjahr 1990 mit der freien Volkskammerwahl am 18. März und der Kommunalwahl am 6. Mai. Dr. Andrea Bahr spricht über die Organisation und den Ablauf der Kommunalwahlen in Ost-Berlin mit Christa Müller, die 1990 Vorsitzende der Wahlkommission in Weißensee war. Im Gespräch geht es um demokratische Teilhabe, gesellschaftliches Engagement und die Herausforderungen, die damit verbunden waren.
Die DDR war 1990 der einzige Staat auf der Welt, der auf einen eigenen Geheimdienst verzichtete. Die Erfahrung, jahrzehntelang von einer Geheimpolizei überwacht und unterdrückt worden zu sein, führten zum Jahreswechsel 1989/90 auf Druck der Opposition zu der Entscheidung, alle Geheimdienstapparate ersatzlos abzuschaffen.
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), Ende Februar 1950 gegründet und für die Sicherung der SED-Diktatur eingesetzt, wurde damit fast genau 39 Jahre später zum 30. März 1990 Geschichte. Mehr als 90.000 hauptamtliche Mitarbeiter und hunderttausende geheime Spitzel stellten ihre Arbeit ein. Die Aufarbeitung des im Auftrag der kommunistischen Staatspartei SED begangenen Unrechts konnte beginnen und dauert bis heute fort. Wie man einen riesigen Apparat wie das Ministerium für Staatssicherheit auflöst und was das in der Praxis bedeutet, darüber spricht Ronny Heidenreich mit Margitta Kupler, die damals an diesen Vorgängen beteiligt war.
1990 war ein sehr bewegtes Jahr für den Frauenfußball. Die Mannschaft der Bundesrepublik hatte erst einige Monate zuvor, im Sommer 1989, ihren ersten Sieg einer Europameisterschaft errungen. Die Fußballerinnen in der DDR hingegen bekamen erst 1990 eine eigene Nationalmannschaft. Am 9. Mai absolvierten sie ihr einziges Spiel gegen die damalige Tschechoslowakei. Auch eine offizielle DDR-Meisterschaft gab es ein erstes und letztes Mal in der Saison 90/91.
Die Wiedervereinigung 1990 veränderte auch den Frauenfußball. Waren viele Freizeitvereine bislang als so genannte Betriebsportgruppen von einzelnen Betrieben getragen, brach diese Struktur mit der Transformation der DDR-Wirtschaft seit dem Frühjahr 1990 weg. Für zahlreiche Vereine bedeutet dies das Ende, andere mussten sich neu orientieren und fanden ihren Weg.
Bei Michèle Matetschk zu Gast ist Kathrin Nicklas. Sie arbeitet seit 30 Jahren beim Berliner Fußball-Verband, davor war sie beim Sportverband der DDR, dem DTSB, tätig. Seit 1982 spielte sie aktiv Fußball, bis zum Jahr 1989 bei KWO Berlin.
Die Friedliche Revolution in der DDR fegte auch das gefürchtete Ministerium für Staatssicherheit hinweg. Ab Dezember 1989 besetzten engagierte Bürgerinnen und Bürger überall im Land Dienststellen der Geheimpolizei, am 15. Januar 1990 schließlich auch deren Zentrale in Berlin-Lichtenberg. Was noch wenige Monate zuvor absolut unvorstellbar war, geschah: Ende März 1990 hörte die Stasi praktisch auf zu existieren.
Daraus ergaben sich zahlreiche Folgeprobleme: Wie sollte man nun eigentlich mit den Hinterlassenschaften des Geheimdienstes umgehen? Wohin mit den Akten, den Fotos, den Filmen und vielem anderen mehr? Im Sommer 1990 spitzten sich die Auseinandersetzungen über diese Fragen dramatisch zu – und sie gipfelten im September in einer zweiten Besetzung des Geländes in Berlin-Lichtenberg, auf dem sich jetzt ein Archiv mit Stasi-Unterlagen befand.
Zwei Wochen rangen Besetzerinnen und Besetzer, Politik und Öffentlichkeit um die Zukunft dieser Unterlagen. Die Lösungsvorschläge reichten dabei von der Vernichtung der Akten über ihren langjährigen Verschluss bis hin zur völligen Offenlegung. Am Ende stand kein Kompromiss, sondern eine klare Weichenstellung, die wesentlichen Einfluss auf die kommenden Jahre und unseren Blick auf die DDR nehmen sollte. Dr. Jens Schöne spricht hierzu mit dem DDR-Bürgerrechtler Tom Sello. Er war von November 2017 bis Februar 2023 Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
„Die Mauer muss weg!“ tönte es auf den Straßen der DDR im Herbst 1989 – und sie verschwand 1990 tatsächlich binnen weniger Monate aus dem Berliner Stadtbild. Ihr Abriss war für die DDR-Bürgerinnen und -Bürger symbolisch für die gewonnene grenzenlose Freiheit. Er veränderte auch das alte West-Berlin grundlegend. Dort gehörte die Mauer zum Alltag und diente einigen jungen Künstlern als Leinwand für eine ganz besondere Kunstform: die Mauermalerei. Was als spontane Street-Art-Bewegung Mitte der 1980er Jahre in Kreuzberg begann, avancierte mit der Grenzöffnung zu einem gefragten Kunstobjekt. Bereits im Januar 1990 und damit Monate vor dem offiziellen Abriss ließ die damalige DDR-Regierung bemalte Mauerteile demontieren und in alle Welt verkaufen. Sie sind auch 30 Jahre später noch gefragte Spekulations- und Erinnerungsobjekte. Während die Mauer und mit ihr die Mauerkunst aus Berlin verschwanden, setzten sich Künstler für die Bewahrung der Erinnerung an die Teilung ein und schufen mit der East Side Gallery ein neues Kunstwerk, das noch heute tausende Menschen anzieht. Einer davon ist Thierry Noir, der im Gespräch mit Ronny Heidenreich interessante Einblicke gibt.
Am 1. Oktober 1990 wurden Ost- und West-Berliner Polizei zu einem gemeinsamen Polizeiapparat vereint: eine Herausforderung, die im Alltag der Polizistinnen und Polizisten Spuren hinterließ. Wie war das, auf einmal mit jemandem auf Streife zugehen, der vor wenigen Monaten noch auf der anderen Seite der Mauer seinen Dienst versehen hatte? Welchen Vorurteilen sahen sich Polizistinnen und Polizisten aus Ost und West gegenüber? Wie gingen sie mit Unterschieden in der bisherigen Arbeitsweise um? Wie fanden sich die neuen Kolleginnen und Kollegen aus dem Osten in die neuen Rahmenbedingungen ein?
In der heutigen Folge begibt sich Jana Birthelmer auf eine individuelle Spurensuche. Sie fragt eine Polizistin, wie der Polizeialltag 1990 im geschichtsträchtigen Berliner Bezirk Prenzlauer Berg aussah und wie die Polizistinnen und Polizisten aus Ost und West die Zeit kurz vor und nach der deutschen Einheit erlebt haben.
Das Jahr 1990 war ein Jahr des Arbeitskampfs. In Ost-Berlin streikten u. a. Beschäftigte der Krankenhäuser, des Einzelhandels und Volkspolizistinnen und Volkspolizisten. Die Müllwerker gehörten – mit einem Warnstreik im Januar und einem unbefristeten Ausstand im Juni – ebenfalls zu den Streikenden. Sie wollten Klarheit, wie es in ihrem Betrieb weitergehen sollte. Das Ende der SED-Diktatur und die sich anbahnende Vereinigung Deutschlands veränderte für sie – wie für die meisten Beschäftigten in der DDR – die ökonomischen und sozialen Rahmenbedingungen grundlegend. Auf der Agenda der Müllwerker standen Forderungen wie gerechtere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und faire Entsorgungsgebühren. Letztlich wollten sie auch ein Bekenntnis vom Magistrat Ost-Berlins: Das Kombinat Stadtwirtschaft, dem die Müllabfuhr zugeordnet war, sollte zum kommunalen Betrieb werden. Zu Gast hat Dr. Andrea Bahr den Zeitzeugen Frank Batsch, der 1990 in einem der Betriebshöfe der Müllabfuhr als Kfz-Schlosser arbeitete.
Der Mauerfall 1989 und die Entwicklungen des Jahres 1990 werden viel zu oft aus einer reinen Ost-Perspektive betrachtet. Für die Bürgerinnen und Bürger der DDR waren die Jahre 1989/90 unzweifelhaft eine einschneidende Zäsur. Doch auch die „Insel“ West-Berlin und ihre Bewohnerinnen und Bewohner befanden sich mitten im Sturm der Ereignisse. Wie gingen sie mit den Umbrüchen in der Stadt um? Wie reagierten sie auf Veränderungen des eigenen Lebens: etwa auf die Tatsache, dass ihre Stadt nun von heute auf morgen doppelt so groß war? Welche Gefühle und Erinnerungen verbinden sie mit dem Jahr 1990 und wie blicken sie heute darauf? Dr. Jens Schöne spricht mit Dr. Stefanie Eisenhuth. Sie ist Historikerin am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam und beschäftigt sich unter anderem mit der Geschichte West-Berlins. Sie blickt aber nicht nur aus einer wissenschaftlichen Perspektive auf die Ereignisse 1989/90, sondern ist als 1977 geborene West-Berlinerin auch Zeitzeugin.
Berlin ist eine Filmstadt. Davon zeugen nicht nur die unzähligen Kinos, die sich auf die vielen Bezirke verteilen, sondern auch die rund 300 Filme, die jährlich in unserer Stadt gedreht werden und nicht zuletzt die Internationalen Filmfestspiele, die Berlinale. Filme sind so oft ein Ausdruck dessen, was in einer Gesellschaft gerade vor sich geht und passiert. Als 1990 aus zwei deutschen Staaten wieder einer wurde und ein gesellschaftlicher Transformationsprozess begann, hatte das auch Einfluss auf die Filme, die über Berliner Leinwände flimmerten. Darüber sprechen wir in der elften Folge der BABcast-Reihe „Berlin 1990“, Umbruchsbilder.
Dazu nehmen wir unter anderen die Produktionen des Jahres 1990 in den Blick. Welche reagierten auf den Umbruch, welche gerieten durch die Entwicklungen in Vergessenheit? Wir diskutieren, ob und wie die Transformation und der gesellschaftliche Wandel bis heute ihre Spuren in Film und Fernsehen hinterlassen haben, fragen aber auch danach, was aus der Filmkultur der DDR geworden ist.
Bei Michèle Matetschk zu Gast: Anna Kokenge. Sie studiert Geschichte und Germanistik im Master und beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Filmgeschichte. Sie ist studentische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neueste und Zeitgeschichte der Humboldt-Universität und der Deutschen Kinemathek.
In der letzten Folge unseres BABcast „1990. Berlin im Wandel“ kommen wir – die Abteilung historisch-politische Bildung des BAB – wieder zusammen und lassen unser erstes Jahr als Podcasterinnen und Podcaster Revue passieren. Wir fragen: „Was bleibt?“ – vom Jahr 1990, aber auch von unseren Gesprächen. Ihr könnt hören, was wir gelernt haben, welche Eindrücke uns besonders präsent geblieben sind, wo wir noch Gesprächsbedarf sehen und wie es mit dem BABcast weitergehen soll. Außerdem beantworten wir nun selber die Schlussfrage, die wir jedem Gast gestellt haben: Wenn wir in zehn Jahren wieder miteinander sprechen, welche Themen sollten dann im Mittelpunkt unserer Gespräche stehen und welche wollen wir nicht mehr behandeln müssen? Die Antworten unserer Gäste haben wir für Euch in der Folge zusammengefasst.