Vertragsarbeit in der DDR

Eine Schwarze arbeitet an einer Werkzeugmaschine in einer Werkstatt. Sie hat kurze, lockige Haare und konzentriert sich auf die Maschine. Der Arbeitsbereich ist industriell gestaltet.
Bild: Bundesstiftung Aufarbeitung, Uwe Gerig, Bild 3422

Für die DDR war die Solidarität mit anderen Ländern sozialistischer bzw. kommunistischer Prägung ein wichtiger ideologischer Grundpfeiler. Mit dem Begriff „Völkerfreundschaft“ beschrieb das Regime die Vorstellung friedlichen internationalen Zusammenlebens im Rahmen des Sozialismus. Ein wichtiger Teil dieses Programms war die Beschäftigung von Arbeitskräften aus anderen Ländern. Die DDR schloss bereits ab den 1960er-Jahren Verträge über die „zeitweilige Beschäftigung“ von Personen aus anderen Ländern. Die beiden größten Gruppen waren dabei junge Menschen aus Vietnam und Mosambik. Weil die Beschäftigung der Arbeitskräfte mit Verträgen zwischen der DDR und ihren Herkunftsländern geregelt wurde, wurden sie ab den 1990er-Jahren als Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter bezeichnet.

Eine weiße Frau mit grauem Haar schüttelt einem schwarzen Mann in militärischer Uniform die Hand. Im Hintergrund stehen mehrere Personen in Anzügen, die an einem offiziellen Treffen teilnehmen.
Samora Machel mit Margot Honecker beim Staatsbesuch in der DDR (1983), Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1983-0303-423, via Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5342180

Insgesamt arbeiteten zwischen 1979 und 1989 rund 20.000 junge Menschen aus Mosambik in der DDR. Ihre Beschäftigung wurde am 24. Februar 1979 in Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, von Erich Honecker und dem damaligen mosambikanischen Präsidenten Samora Machel unterzeichnet.

Mosambik hatte erst vier Jahre zuvor, 1975, die Unabhängigkeit von der portugiesischen Kolonialmacht erlangt. Für die DDR gehörten enge außenpolitische Beziehungen mit kleineren, oft auch jungen Staaten zum Programm. Das SED-Regime strebte so nach diplomatischer Anerkennung und wollte eine zentrale Rolle einnehmen, besonders im globalen Süden.

Mosambik war für das SED-Regime noch aus einem anderen Grund als Vertragspartner interessant: Das Land war nicht, wie die DDR und viele ihrer Partnerländer, im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (kurz: RGW), dem Wirtschaftsverbund der sozialistischen Staaten, organisiert. Es agierte stattdessen innerhalb des internationalen Wirtschaftsraums mit Dollar. Die Verträge mit Mosambik waren für die DDR eine willkommene Gelegenheit, ihre am Ende der 1970er-Jahre knapp werdenden Devisen (ausländische Währungen) aufzufüllen. Diese brauchte das Land, weil die Währung der DDR auch nur in der DDR als Zahlungsmittel anerkannt war. Für Importe aus anderen Ländern brauchte der Staat andere Währungen, wie Dollar oder D-Mark.

Strenge Kontrollen in den Wohnheimen

Junge Menschen auf einer festlichen Veranstaltung, mit Ballons und bunter Beleuchtung im Hintergrund. Eine weiße Frau lächelt. Zwei schwarze Männer stehen neben ihr, einer mit einer Cap und der andere mit einem Hut.
Das SED-Regime konnte die Kontakte zwischen den jungen Leuten aus Mosambik und der DDR nicht vollends einschränken. Hier: Jugend-Festival der FDJ in Ost-Berlin, 1984, Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1984-0610-006, via Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0, https://bit.ly/3uMO8tA

Die zwischen 18- und 25-jährigen Menschen aus Mosambik sollten in der DDR eine gute Ausbildung erhalten und danach wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Eingesetzt werden sollten sie im Braunkohle- und Kupferbergbau, in der Herstellung von Lastkraftwagen, der Textilindustrie und in der Landwirtschaft. Für viele junge Menschen aus Mosambik bot sich somit theoretisch eine gute Chance, sich beruflich weiter zu qualifizieren. Praktisch erhielten viele von ihnen in der DDR nicht die Ausbildung, die ihnen zugesagt wurde.

Der ehemalige Vertragsarbeiter David Macou erzählt im Deutschlandfunk von seinen Erlebnissen und schildert dabei auch die zahlreichen Hoffnungen, die er mit seinem Aufenthalt in der DDR verbunden hat.

Das Leben in der DDR sah allerdings oft anders aus. Die Beschäftigten wurden in Wohnheimen untergebracht, in denen es viele Regeln und Kontrollen gab: Ein Pförtner kontrollierte z. B. wer wann ging und kam, Übernachtungsbesuche waren untersagt. Die Integration in die DDR-Gesellschaft war nicht erwünscht: Kontakte mit gleichaltrigen Menschen aus der DDR sollten verhindert werden, um engere Bindungen, also Freund- oder Partnerschaften, möglichst zu vermeiden. Trotz zahlreicher Maßnahmen des Staates, u. a. Einschüchterung, fanden sich zahlreiche deutsch-mosambikanische Paare und einige gründeten Familien.

Ein Denkmal mit einem bunten Regenbogen und der Inschrift 'HOYERSWERDA VERGISST NICHT - WIR ERINNERN'. Hintergrund zeigt Wohngebäude.
In Hoyerswerda erinnert ein Denkmal an die rassistischen Angriffe auf Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter im Herbst 1991, Bild: SeptemberWoman, via Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 , https://bit.ly/3Tdy2mr

Das SED-Regime leugnete Rassismus im eigenen Land und verwies immer wieder auf die Solidarität mit anderen Ländern. Trotzdem erlebten Arbeitskräfte aus anderen Ländern in der DDR häufig Alltagsrassismus. In den Betrieben, aber auch in der Freizeit gab es Auseinandersetzungen zwischen Menschen aus der DDR und aus Mosambik, die oft auch mit rassistischen Übergriffen einhergingen.

Deutsche-Welle-Reporter vom 23.10.2023: Ehemalige DDR-Vertragsarbeiter aus Mosambik fordern Gerechtigkeit

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Für die Menschen aus Mosambik war die Geschichte mit dem Ende der DDR jedoch nicht vorbei. Bereits seit 1979 wurde ein Teil ihres versprochenen Lohnes einbehalten. Er sollte angeblich auf ein Konto in Mosambik überwiesen werden, auf das sie nach ihrer Rückkehr Zugriff haben sollten. Am Anfang handelte es sich dabei um 20 Prozent des Lohnes, später schließlich um bis zu 60 Prozent. Als die Menschen jedoch zurück in Mosambik waren, erhielten sie von den Behörden die Information, dass das Geld nie in Mosambik angekommen sei und sie sich in Deutschland um die Auszahlung ihres restlichen Lohnes bemühen müssten.

Was war passiert? Mosambik hatte Schulden bei der DDR. Statt die Schulden vom mosambikanischen Staat tilgen zu lassen, wurde das Geld vom Lohn der Arbeitskräfte einbehalten. „Verrechnen statt transferieren“ hieß dieses Prinzip. Es war niemals geplant, den Menschen ihren vollen Lohn wirklich zukommen zu lassen.

Seitdem engagieren sich einige ehemalige Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter für ihre Rechte, für die Aufarbeitung dieses an ihnen begangenen Unrechts, für die Auszahlung des ihnen zustehenden Lohns und der ihnen zustehenden Sozialversicherungsbeiträge. Viele von ihnen leben heute in prekären Verhältnisse. In Mosambik werden sie häufig als „Madgermanes“ betitelt — ein Name, den sie sich inzwischen selbst angeeignet haben. Jeden Mittwoch demonstrieren ehemalige Vertragsarbeitende in Maputo. Auch in Deutschland werden Stimmen immer lauter, die die Auszahlungen des verbleibenden Lohns an die Madgermanes fordern. Anlässlich des 40. Jahrestages des Abkommens zwischen Mosambik und der DDR fand 2019 in Magdeburg unter Einbeziehung einer Delegation der Betroffenen die erste Tagung zum Thema statt: „Für Respekt und Anerkennung.“ Im Jahr 2021 fand ein offener Brief von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an die Bundesregierung auch in der Öffentlichkeit Gehör. Er unterstütze nachdrücklich das Magdeburger Memorandum, die Resolution der Tagung, bei der die Forderungen der Betroffenen und die Lösungsansätze der Fachleute zusammengefasst wurden. Auch die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke fordert mehr Aufmerksamkeit für die Schicksale der Betroffenen und eine pauschalisierte Einmalzahlung, die auch wirklich die Menschen erreicht, nicht nur den mosambikanischen Staat.