Mitten in Berlin, direkt am Alexanderplatz, liegt ein ganz besonderer Ort: Das frühere DDR-Untersuchungsgefängnis der Volkspolizei in der Keibelstraße. In der Haftanstalt im Gebäude des Präsidiums der Volkspolizei saßen bis 1990 Untersuchungshäftlinge ein. Viele der ehemals dort auch politisch Inhaftierten verbinden mit der Adresse Keibelstraße schmerzhafte Erinnerungen. Für sie war die Keibelstraße ein Angstort.
Auch während des Baus der Berliner Mauer spielte das Präsidium der Volkspolizei eine wichtige Rolle: Im August 1961 hatte Erich Honecker auf Befehl des damaligen DDR‐Staats‐ und Parteichefs Walter Ulbricht die Planung und Umsetzung des Mauerbaus geleitet. Honecker (der spätere Nachfolger Ulbrichts als Partei- und Staatschef) war damals der für Sicherheitsfragen zuständige Sekretär im Zentralkomitee der SED. Die Einsatzzentrale seines Stabs befand sich im Polizeipräsidium. Von dort aus koordinierte Honecker die menschenverachtenden Maßnahmen des Mauerbaus.
Die Stiftung Gedenkstätte Hohenschönhausen ist mit der Erforschung der Geschichte des Haftortes Keibelstraße und des Ost-Berliner Volkspolizeipräsidiums beauftragt worden. Erste Ergebnisse präsentierten die beteiligten Historiker im Februar 2023. Die Wissenschaftler hatten Aufgaben, Struktur und Arbeitsweise des Präsidiums untersucht. Schwerpunkt war die 1966 eingerichtete Arbeitsgruppe Staatsgrenze. Sie zählte bis zum Untergang der DDR zu den wichtigsten Instrumenten der Volkspolizei bei der Bekämpfung der sogenannten Republikflucht.
Das ehemalige Gefängnis in der Keibelstraße gehört zu den zentralen Orten der Repression der SED-Diktatur. Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte setzt sich daher dafür ein, die Räumlichkeiten zu einem öffentlich zugänglichen Erinnerungsort weiterzuentwickeln. Im November 2021 wurde eine Machbarkeitsstudie fertiggestellt.
Die Studie zeigt auf, dass die Räume im Innenhof des früheren Präsidiums der Volkspolizei zu einem authentischen und zeitgemäßen Ort der Vermittlung entwickelt werden können. Auch aus Sicht des Berliner Aufarbeitungsbeauftragten ist der ehemalige Hafttrakt nicht nur wegen seiner Bedeutung, sondern auch wegen der zentralen Lage am Alexanderplatz als Erinnerungsort geeignet.
Bereits im November 2017 hatte das Berliner Abgeordnetenhaus den damaligen Senat aufgefordert, das ehemalige DDR-Polizeigefängnis in der Keibelstraße zu sanieren und öffentlich zugänglich zu machen. Ein erster Schritt erfolgte im Februar 2019 mit der Eröffnung des Lernorts im 1. Obergeschoss des Hafttrakts. Betreiberin ist die Agentur für Bildung – Geschichte, Politik und Medien e.V. Vorsitzender des Fachbeirats für den Lernort ist der stellvertretende Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Dr. Jens Schöne.
Das pädagogische Angebot richtet sich an Schülerinnen und Schüler ab der 3. Klasse. Die Kinder und Jugendlichen erfahren, aus welchen Gründen Menschen in der Untersuchungshaftanstalt einsaßen, wie sich der alltägliche Ablauf im Gefängnis gestaltete und welche Haftbedingungen herrschten. Auf diese Weise können sie wichtige Einblicke in das Rechts- und Herrschaftssystem der DDR bekommen. Zusätzlich werden öffentliche Führungen angeboten. Die Teilnehmerzahl ist wegen der geringen räumlichen Kapazitäten beschränkt.