Folge #5: Anerkennung als verfolgte Schülerin

Ruth Leiserowitz über Bildungshunger und Sympathie für unangepasste Lebensläufe

Eine Frau mit Brille und langen Haaren sitzt entspannt auf einem Sofa, umgeben von Kisten. Neben ihr steht ein Schild mit der Aufschrift 'Schutt und Asche abladen verboten'.
Ruth während ihrer Schulzeit in ihrem Zimmer in Löwenberg, Bild: Privatarchiv R. Leiserowitz

Der Vater sagte über seine Tochter Ruth: „Das Mädchen muss studieren, mit so einem Kopf wäre alles andere ‚Perlen vor die Säue‘“. Als Pfarrer auf dem Lande war er Feindbild für den lokalen „Konsumpriester“, einen wortstarken SED-Funktionär, der allerdings auch Ruths Klassenlehrer war. Prompt bekam Ruth keine Zulassung zur Erweiterten Oberschule. Ein staatlich anerkanntes Abitur war ihr damit erstmal verwehrt. Sie machte ein kirchliches Abitur, jobbte an Bibliotheken und bei Verlagen. Dabei hielt sie die Augen offen, ob sich nicht doch noch ein Schlupfloch in der Diktatur auftat, durch das sie zum Studium gelangen konnte. Zugleich hatte sie keine Angst, sich gemeinsam mit Bärbel Bohley und anderen als „Frauen für den Frieden“ gegen die zunehmende Militarisierung der DDR zu engagieren. Erst nach dem Mauerfall konnte sie studieren und fand schließlich einen Karriereweg, der ihre Träume sogar übertraf.

Anerkennung als verfolgte Schülerin – Ruth Leiserowitz über Bildungshunger und Sympathie für unangepasste Lebensläufe

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Weiterführende Informationen

  • Grundlage der Anerkennung als verfolgte Schülerin bzw. verfolgter Schüler ist das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, das sowohl die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung (VwRehaG) als auch die Berufliche Rehabilitierung (BeRehaG) regelt. Beide Vorschriften – VwRehaG und BeRehaG – sind für die Anerkennung und Entschädigungsleistungen relevant, wenn jemand aus politischen Gründen nicht die Erweiterte Oberschule in der DDR besuchen durfte.  
  • Ruth Leiserowitz erwähnt ihr Engagement bei den Frauen für den Frieden, über die sie auch ein Buch mit herausgegeben hat. Dazu passt thematisch auch unsere frei herunterladbare Broschüre über oppositionelle Frauen im Ost-Berlin der 1980er Jahre.
  • Wie unsere Interviewpartnerin, standen zahlreiche Pfarrerskinder in der DDR im Spannungsfeld zwischen staatlicher Benachteiligung und Förderung durch das Elternhaus. Diese Erfahrungen sind Thema einer soziologischen Studie, von der hier eine kurze Zusammenfassung zu finden ist.